Vorwort

"Der Zellbach bildet die Grenze zwischen Clausthal und Zellerfeld." Das war eine der ersten Weisheiten, die ich als Neuling im Oberharz Anfang der 60-er Jahre lernen mußte. Als ich 30 Jahre später im Neubaugebiet an den Eschenbacher Teichen bauen wollte, mußte ich nicht schlecht staunen, als ich aus dem Grundbuch erfuhr: "Gemarkung Clausthal". Naja, man lernt halt dazu. Von da an begann ich, mich etwas für die lokale Historie zu interessieren. Und als ich dann - noch einmal ca. 5 Jahre später - die Angestellte eines an der Bauhofstraße angesiedelten Handwerksbetriebs fragte, ob sie mir sagen könnte, wo denn nun genau der verrohrte Zellbach unter dem Grundstück herläuft, da schaute sie mich etwas vorwurfsvoll und mitleidig an und fragte zurück: "Sie meinen wohl den Hornbach?!"

Und erst vor drei Jahren entdeckte ich, daß im Bauamt des Rathauses ein sehr schöner Stadtplan von 1908 an der Wand hängt, der den genauen Grenzverlauf zwischen Clausthal und Zellerfeld entlang des Zellweges zeigt.

Wie erstaunlich ist es, wenn man dann lernen muß, daß die alten Häuser auf der Ostseite des Brauhausberges schon in Clausthal liegen, während auf der anderen Straßenseite, dem ehemaligen Brauereigelände, das ehemalige Kloster Cella die Wiege der Ortschaft Zellerfeld bildete.

Grenzen, ihr Verlauf und ihre Auswirkungen sind ohnehin ein Kapitel, das man in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts besonders gut studieren konnte. Als Ordnungskriterium für Besitzverhältnisse sind sie notwendig, als bürokratische Schranken für sinnvolle und notwendige Zusammenarbeit oft nur geduldet und als politisch-ideologisches Mittel ständig mißbraucht.

Wie mag das vor 500 Jahren mit der Grenze zwischen Clausthal im Fürstentum Grubenhagen und Zellerfeld im Fürstentum Braunschweig-Lüneburg im praktischen Alltag gewesen sein? Welche tieferen Ursache führten zu den Streitigkeiten um das Wasser, die in der Streitkarte von 1581 dokumentiert wurden? War wirklich der Nachbar auf der anderen Straßenseite der böse Feind, der das Wasser ableitete? Oder wurde eine Grenze wegen Bürokratie und Ideologie zu einem künstlichen Problem?

"Früher haben wir uns mit den Jungen aus Clausthal (Zellerfeld) immer an der Bahnlinie geprügelt" hörte man unisono von beiden Seiten. Aber das war in meiner Jugend bei den feinen Düsseldorfer Jungen aus der Albertstraße (meine Straße) und den "fiesen Möps" von der Behrenstraße (genau um die Ecke herum) auch nicht anders.

In dieser Schrift von Günter Rosenthal soll es aber weniger darum gehen, wo eigentlich die Grenze lag, sondern eher darum, einen der wichtigen Bäche (die sich vor 500 Jahren als Marke in der Landschaft auszeichneten und daher für Grenzen geeignet waren) wieder zu entdecken. Immerhin war dieser Bach so wichtig (und hat damals sicher noch mehr Wasser geführt als heute), daß man ihn bereits an der Bäckerstraße (von Zellerfelder Territorium auf Clausthaler Territorium) umleitete und dem Unteren Eschenbacher Teich als dem nächst gelegenen großen Teich zuführte, damit er auf diese Weise seine Wasserkraft nutzbringend entfalten kann.

So sollte man auch Verständnis dafür haben, daß offensichtlich die bekannte Streitkarte von 1581 nicht ganz eindeutig ist, weil sie den "Zelbach" nicht nur nördlich des Eulenspiegeler Teiches durch den Mühlengraben fließen läßt, sondern auch bis hinauf zu den Pfauenteiche

fortführt. Doch was mag für den Berichterstatter, der die Streitkarte zeichnete, wichtig gewesen sein? War es der exakte Name und Verlauf eines Baches oder die Frage, wo das meiste für den Bergbau notwendige Wasser, um das der Prozeß zwischen den beiden Fürstentümern überhaupt geführt wurde, herkommt, wozu es dient und wohin es fließt? Von vielen älteren Einwohnern habe ich öfter gehört, daß der Zellbach (oder Hornbach) östlich des Kreisels gar kein richtiger Bach war, wie er es heute ist, sondern eher als halb ausgetrocknetes Rinnsal zu bezeichnen war. Kein Wunder, wenn die Wassermengen, die wir heute sehen, früher ständig abgeleitet und so vielfältig genutzt wurden, daß für die Freiflut nicht mehr viel übrig blieb.

So muß man es als Günther Rosenthal's Verdienst ansehen, daß er dieses Thema wieder aus der Versenkung hervorgeholt und mit neuem Inhalt versehen hat, auch wenn viele Fragen - etwa die nach dem Wortlaut der Originaldokumente, in denen der Hornbach genannt wird - noch nicht beantwortet werden können.

Im Dezember 2000
Volkmar Trunz


Nachtrag zum Vorwort

Durch eine Nachfrage bei Anliegern der Bauhofstraße förderte Herr Rosenthal noch einen Vorgang aus dem Jahr 1986 zu Tage. Damals hatte einer der Anlieger wegen möglicher Überschwemmungsgefahr seines Grundstückes bei Hochwasser seine Anwälte bemühen müssen. Das angeschriebene Staatliche Forstamt Clausthal-Schulenberg antwortete am 26.11.1986 mit den Worten:
"Der Hornbach ist nur bis ... im Eigentum der Forstverwaltung ...".

Die ebenfalls angeschriebene Preussag AG teilte am 03.12.1986 mit, daß sie nicht "... Eigentümer des Hornbachs ..." sei.

Dies sollte ein ausreichender Beweis dafür sein, daß der Bach auch in jüngerer Zeit noch offiziell als Hornbach bezeichnet wurde.

Im März 2001
Volkmar Trunz

 

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